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März in Ungarn

Ein rot-weißes Wollband hängt an einem blühenden Ast in Ungarn

von Márta Kienböck, Kursleiterin für Ungarisch an der VHS Baden

Nun ja, Jänner und Februar sind in Ungarn ziemlich düster. Wir feiern heute kaum Fasching. Die Zeit in der die Ballsaison für Verlobungen genützt wurde, liegt längst hinter uns. Die meiste Ungarn sind keine Wintersportler. Wie auch? Tatra gehört der Slowakei, die Karpaten gehören zu Rumänien, die Alpen zu Österreich. Wir haben keine Monarchie mehr. Wir sind Flachländer. Mich persönlich ängstigt alles, was rutscht. Deshalb möchte ich nicht auf Brettern stehen, die ja angeblich die Welt bedeuten, und auf Schnee rutschen.

Wir haben in Ungarn nur eines, was Besonderes ist. Das nennt sich „torkos csütörtök“ was man sinngemäß als Fressdonnerstag übersetzen könnte. Bedenken wir folgendes: Früher, als man am Faschingsdienstag noch groß gefeiert hat, hat man für diesen Tag viel gekocht. Aber am Aschermittwoch begann die Fastenzeit. Essen wegwerfen durfte man aber – besonders in der bäuerlichen Kultur – nicht! Also unterbrach man die Fastenzeit am Donnerstag und verputzte man alles, was noch da war.

Aber im März … da passiert vieles! Zuerst am 8. März – Internationaler Frauentag. Bis zur Wende kannten wir keinen Valentinstag. Deshalb haben also die Frauen und Mädchen zum Frauentag Blumen bekommen – Schneeglöckchen, oder Veilchen. Es ist übrigens verboten in Ungarn in dem Wald und auf der Wiese Schneeglöckchen zu Pflücken. Die Strafen sind echt hoch!

Am 15. März müssen wir nicht arbeiten gehen! An unserem Nationalfeiertag erinnern wir uns auf den friedlichen Beginn der Revolution von 1848–1849. Ich weiß, es war eine Revolution gegen die Habsburgische Herrschaft. Aber aus unserer Sicht war es ein Freiheitskampf. Erstaunlicherweise waren die ersten Forderungen die in 12 Punkten von Lajos Kossuth an diesem regnerischen Tag vorgelesen wurden fast harmlos. Lesen wir nach …

Märzgesetze

Was wünscht sich die Ungarische Nation
Es soll Frieden, Freiheit und Einverständnis herrschen. 

  1. Wir wünschen die Freiheit der Presse ohne Zensur
  2. ein verantwortliches Ministerium in Buda-Pest
  3. Jährliche Parlamentssitzung in Pest
  4. Gleichheit vor dem Gesetz in bürgerlichen und Glaubensfragen
  5. Nationale Wache
  6. Gemeinschaftliche Lasttragung (Steuer)
  7. Auflösung der feudalen Gesellschaft
  8. Jury, wo alle vertreten werden können
  9. Nationalbank
  10. Die Soldaten sollen auf die Verfassung schwören. Ungarn sollen nicht im Ausland dienen, Fremde nicht bei uns
  11. Politische Gefangene sollen frei gelassen werden
  12. UNIO

Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit!

Quelle: Wikipedia

Die Forderungen der ungarischen Revolutionäre vom März 1848

Diese Forderungen wurden auf den Stufen das Nationalmuseums vorgelesen. Dann kam Sándor Petőfi, der am Vortag ein Gedicht geschrieben hat, da er wusste, dass am 13.03. auch in Wien die Revolution ausgebrochen war. Er war kraftvoll. Dieses Gedicht muss jedes ungarische Kind auswendig können.

Ungarisches Nationallied (Deutsch)

Auf, die Heimat ruft, Magyaren!
Zeit ist’s, euch zum Kampf zu scharen!
Wollt ihr frei sein oder knechte?
Wählt! Es geht um Ehr und Rechte
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!

Sklaven waren wir, Verräter
an dem Geist unsrer Väter,
die im Grab keine Ruhe fanden,
seit die Freiheit ging zuschanden.
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!

Fluch dem Wicht, der jetzt versagte,
feige nicht zu kämpfen wagte,
dem sein Leben teurer wäre
als des Vaterlandes Ehre!
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!

Statt die Ketten zu zerschlagen,
haben wir sie stumm ertragen.
Rühmlicher und ehrenwerter
sind für Männerhände Schwerter!
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!

Waschen wir mit Blut die Schande
weg von unsrem Vaterlande,
dass sein Schild in allen Breiten
strahle wie zu alten Zeiten!
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!

Unsre Kinder sollen später
an den Gräbern ihrer Väter
stets in dankbarem Gedenken
ehrfurchtsvoll die Häupter senken!
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!

Ungarische Symphonie

In der 1980er-Jahren haben wir es sogar gesungen: https://www.youtube.com/watch?v=xwv32MDA6p4

Und heute? Balázs Havasi hat ein wunderbares Stück komponiert, der eigentlich das Leben und den Nachlass des Dichters Petőfi zusammenzufassen versucht.

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Nun ja, wer über diesen Freiheitskampf mehr lesen möchte, dem empfehle ich Wikipedia – da findet man relativ detailliert beschrieben, was passiert ist.

Ostern in Ungarn

Ab „virágvasárnap“ Palmsonntag darf man – wenn man alle Traditionen einhalten will – nicht mehr heizen.

In der Karwoche findet der Großputz statt. Damals hatte Mann die Bauernhäuser voll ausgeräumt, die Winterschäden am Mauerwerk verbessert und die Häuser mit Kalk geweißt. Die Frauen haben alles sauber gewaschen und geholfen alles zurück ins Haus zu räumen. Probieren Sie das doch mal heute! Niemand hat so wenige Gegenstände, dass das ginge …

Am Gründonnerstag essen wir Spinat oder Sauerampfer Soße mit Ei und Kartoffeln.

Am Karfreitag sind die Menschen an der Reihe sich zu waschen und sich sauber anziehen. Männer haben am Fest keine Arbeit mehr. Doch die Frauen kochen und backen am Samstag. Die unverheirateten jungen Damen färben Eier. Das heißt, sie bemalen sie. Die Eier sollen so schön sein, als ob sie gestickt wären.

Am Montag in der Früh haben sich mögliche Bräutigame schon vorher verabredet und die Mädchen als Gruppe besucht. Ein Mädchen nach dem anderen. Die Mädchen wurden dann begossen. Im wahrsten Sinne des Worte. Denn da Mädchen als Blumen gelten, würden sie sonst verdursten. Zuerst verwendete man kaltes Wasser, dann brauten die Jungs gemeinsam Duftwässerchen und heute hat jede Dame ein anderes Parfüm. Solange die Jungs als Gruppe zu dem Haus, wo das Mädchen wohnt, gingen ergab das „locsolkodás“ (gießen) einen Sinn. Das Mädchen bedankte sich mit bemalten Eiern für das Gießen. Der, den sie gerne als Partner gehabt hätte, bekam das erste, schönste Ei. Dann kamen die andere Jungs. Der Vater bestimmte wer wo Platz nehmen durfte. Wer neben seiner Tochter sitzen durfte, war sein Favorit. Nun brachte die Mutter eine Jause. Wie reichlich diese war, so sollte die Mitgift des Mädchens aussehen. Wem die Mutter mehr angeboten hat („traktierte“), den hätte sie am liebsten zum Schwiegersohn. Die Burschen brachten die Eier nach Hause. Die Mütter musterten die Eier und entschieden, ob das Mädchen Wert ist, es zu heiraten.

Heute gibt es diesen Brauch auch noch, jedoch ohne Hintergedanken. Jeder Mann der schon oder noch gehen kann begießt jedes weibliche Wesen, das schon, oder noch sitzen kann. Durch die verschiedenen Düfte ist Kopfschmerz garantiert.

Und man darf nicht vergessen: in Ungarn gilt 0,0 % Alkohol für den Autolenker. Zu Ostern lauern die Polizisten überall!